Eine kurze Chronik
Die Stadt Marl (seit 1936) liegt im nördlichen Ruhrgebiet etwas südlich der Lippe, eine kreisangehörige Stadt des Kreises Recklinghausen im Regierungsbezirk Münster.
Das heutige Marl wurde 890 erstmals im Urbar (das ist ein Register über Eigentum und für Abgaben) des bereits 799 gegründeten Benediktinerklosters (Essen-)Werden urkundlich als meronhlare (wahrscheinlich ein Hof) erwähnt.
Auch erste Namen von Einwohnern sind dort zu finden: Waltfried, der von Dagubracht an das Kloster Werden verschenkt wird, sowie Thiatger, der Sohn von Hugbald in Ulithi, das ist später Oelde an der Lippe (nicht die Stadt).
Kirchlich und weltlich war es Teil des Erzbistums und Kurfürstentums Köln, Landesherr war also der Erzbischof und Kurfürst von Köln. Spätestens 1160 (urkundlich, also schriftlich erwähnt) gab es eine Kirche bzw. eine Pfarrei (parochia St.Georg) in (Alt-)Marl. Die Erwähnung bezieht sich auf eine frühere "Schenkung" an den Kölner Bischof, der sie weitergab an ein Kloster in Deutz.
(Weitere Einzelheiten in: "Anfänge")
Bis 1900 war Marl (Marlare, Maerl, Marll, Marle...) ländlich, also bäuerlich geprägt. Es gab einige Gutshöfe und (viele) kleinere Bauern und sogenannte Kötter, die meisten waren nicht frei, sondern abhängig ("gehörig") von
1. den Adeligen wie Loe (in Drewer, auch wahrscheinlich in Hüls (beckloe),
Ostendorf (an der anderen Lippeseite), Strünkede und Hassel, Raesfeld oder Westerholt, Wiedenbrück und Krane, zuletzt Arenberg und Twickel und
2. den Kirchen und Klöstern wie der Abtei Werden, dem Damenstiften Flasheim und Xanten, den Domkapiteln (Versammlung der sog. Domherren) in Xanten und Köln,
3. dem Kurfürst in Köln (eigentlich Bonn) durch sein "Finanzamt", der Kellnerei Horneburg sowie
4. der St.Georg-Kirche in (Alt-)Marl und ihren Pastören und Vikaren.
Die Abhängigen mussten mehrmals im Jahr Abgaben leisten mit Geld und Ernteerträgen in bestimmter Menge und hatten zudem Dienste leisten:
"Handdienste", zum Beispiel Wege reparieren oder Mühlenbäche säubern;
"Spanndienste", zum Beispiel (eigene) Pferde anspannen für Fahrdienste oder auch zur Ausrüstung der Ritter-"bürtigen", auch zum Burgenbau.
Sie konnten auch durchaus verschenkt, getauscht oder verkauft werden...aber auch frei gelassen, wenn sie z.B. ein Handwerk erlernen wollten.
Bis 1900 veränderte sich die Bevölkerungszahl kaum (allerdings die "Herrschaften", erst von Marl, dann von Loe , von Wiedenbrück, von Krane , Twickel und Arenberg...), es lebten immer nur zwischen 1000 und 2000 Menschen in diesem Gebiet. Für das Jahr 1600 ist die Rede von 800 Einwohnern (das ist eine Schätzung), 1875 wurden ca.1800 gezählt.
Die Landwirtschaft war bis ca. 1900 die Haupterwerbsquelle in Marl:
Im Jahr 1840 sind 493 Pferde, 1.879 Rinder, 857 Schweine, 98 Ziegen und 4.591 Schafe verzeichnet. An Getreide wurden Roggen, Gerste, Hafer und (wenig) Weizen angebaut. Ab ca. 1750 gab es auch Kartoffelanbau.
Dazu kam auch Flachs, denn neben der Landwirtschaft wurde in vielen Familien neben dem Eigenbedarf auch im Nebenerwerb (Leinen) gewebt. Meistens wurde für Stoffhändler als Lohnweber gearbeitet.
Für das Jahr 1842 sind folgende Berufe verzeichnet:
3 Bäcker, 1 Fleischer, 17 Schuster, 17 Schneider, 17 Zimmerleute, 5 Tischler, 6 Böttcher (von Bottich ein Fass), 1 Maurer, 15 Hufschmiede, 6 Küfer (von Kübel, ein Eimer), 1 Tuchweber, 59 Leinwandweber, 42 Krämer, 12 Hausierer, 2 Gasthöfe, 11 Schankwirte, 6 Brauer, 2 Brenner, 6 Getreidehändler, 5 Holzhändler.
Marl um 1900: so gut wie nichts und bestenfalls ein Dorf
aus: Norbert Schüpp, Von Dörfern zur Stadt, Marl...,1963 (Diss. S.260))
Ursache der Stadtwerdung und des Anstiegs der Bevölkerung nach 1900 war die Industrie: 1900 Gründung der beiden Zechen Auguste Victoria und Brassert sowie den Chemischen Werken Hüls 1938/39.
Ein Grund war der Zuzug von Arbeitskräften, der andere Grund war 1926 die Eingemeindung von Hüls, Sinsen und Lenkerbeck, bis 1926 Recklinghausen -Land.
1919 gab es ca. 12000, 1939 bereits ca. 35000 Menschen auf Marler Gebiet.
Die Zeche Auguste Victoria
August Stein und Julius Schäfer aus Düsseldorf gründeten 1898 die Zeche „Auguste Victoria“ mit Sitz in Düsseldorf und übertrugen ihr die beiden Grubenfelder Hansi 1 und Hansi 2.
Offiziell wurde das erst nach der "Consolidation", der Vereinigung der beiden "Normalfelder" am 4. April 1899 mit der Bestätigung durch das Oberbergamt in Dortmund (das Bergregal (=Recht) lag beim Herzog von Arenberg, siehe auch "Bergbau...").
1903 wurde der Sitz der Verwaltung nach Hüls bei Recklinghausen verlegt. Zuvor hatten am 1. Mai 1900 die Teufarbeiten (Bohrungen in die Tiefe) begonnen. Ende 1905 nahm Schacht AV 1 die Förderung auf.
Namensgeberin für das Marler Bergwerk war Auguste Victoria (1858–1921, eine Großnichte der englischen Queen Victoria), die letzte deutsche Kaiserin und Gattin Kaiser Wilhelms II., dessen Vater (Friedrich III) ein Enkel von Queen Victoria war.
Das Bergwerk gehörte zu den leistungsfähigen Förderstandorten der Deutschen Steinkohle AG. Dezember 2015 wurde die Förderung eingestellt und die Zeche damit geschlossen. Die Einführung der Kohle war billiger...
Brassert:
Im Jahre 1905 erfolgte im Anschluss an die erfolgreichen Bohrungen in Marl die Gründung der Zeche Brassert, benannt nach Hermann Brassert, dem „Vater“ des allgemeinen Berggesetzes von 1865.
1910 wurde die Kohleförderung aufgenommen, in den 50er Jahren arbeiteten bis zu 5000 Menschen „auf Brassert“. Schließung der Zeche 1972.
(aus: Das AV-Buch (HG.: Gewerkschaft Auguste Viktoria GmbH Marl,1997, S.97)
Der Name "Brassert" ist also nicht nur zur Erinnerung an das neue Berggesetz und dessen Schöpfer gewählt worden: Die Familien Stein (AV Eigentum) und Brassert (ebenfalls AV) waren auch über die beiden Marler Zechen miteinander verbunden.
Die Zeche "Brassard" 1908, ganz neu in Marl. Der Fotograf (oder der Verlag) wusste noch nicht, wie man "Brassert" schreibt (und er kannte augenscheinlich auch nicht den "Namensgeber").
(Intermezzo - noch zu vervollständigen)
Die "Spartakistenunruhen" im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch vom 13. März 1920 hatten auch Auswirkungen auf Marl. Am 1. April 1920 besetzte die Rote Ruhrarmee Marl und lieferte sich am Lippeübergang bei Bossendorf ein Gefecht mit der Reichswehr, 15 unbeteiligte Kanalarbeiter wurden von der Reichswehr bzw. Freikorps erschossen. (Sehr verkürzt von wiki, siehe auch unten).
Am 1. April 1926 erfolgte die Auflösung des Amtes Recklinghausen und die Eingemeindung mehrerer Orte (Sinsen, Hüls, Lenkerbeck und Löntrop) nach Marl, das somit zum Großamt wurde. Dies erfolgte auf "Anregung" der Zeche AV, denn Hüls gehörte bis dahin zu "Recklinghausen-Land“, auch steuerrechtlich, (ungünstiger für die Zeche).
Für Marl im Jahr 1931 verzeichnet das "Handbuch der Aemter und Landgemeinden in der Rheinprovinz und Westfalen" 19.598 katholische, 12.105 evangelische, 30 jüdische Konfessionen und 2.309 Sonstige.
Die Amtsvertretung bestand aus 18 Mitgliedern: 10 Zentrum, 2 SPD, 1 Wirtschaftspartei, 4 KPD, 1 Sonstiger. (Wiki, Marl, Okt.2018)
Unten: Ein Grab in Hamm-Bossendorf: Opfer der "Unruhen". Die Täter waren Freikorpssoldaten im Auftrag der Reichsregierung (Ebert, Noske, Severing u.a.). Oben: Die Faust gehörte ursprünglich dazu, wurde von Nazis nach 1933 zerschlagen und erst 1982 wiedergefunden.
Wird noch vervollständigt...(siehe auch unter: "Ein Grab in der Haard" und "Hüls 1918/19" im Menue)
IG Farben und Marl: Chemische Werke Hüls
(in Arbeit)
In Erfüllung des "4-Jahres-Plans" ab 1936 zur Kriegsvorbereitung musste das Deutsche Reich wirtschaftlich autark werden. Künstlich hergestelltes Gummi war ein wichtiger Bestandteil dieser Vorbereitungen. Da die IG Farben bereits großen Grundbesitz in Hüls wegen der Zeche AV hatte und zudem das nötige Wasser in der Lippe erreichbar war, wurde hier in der "Drewer Mark" (also nicht Hüls) ab 1938 ein Chemiewerk gebaut zur "Buna-Herstellung".
Der Baubeginn:
(in Arbeit)
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Das Novemberpogrom 1938 führte auch in Marl zur Verfolgung der seit 1908 ansässigen jüdischen Bevölkerung, die hauptsächlich im Textil- und Möbelhandel tätig war. Mehrere Menschen wurden verletzt, Geschäfte angezündet und geplündert. Alle noch in Marl lebenden (die Volkszählung 01.11.1938 nennt 16) jüdischen Bewohner mussten die Stadt verlassen.
In allen Betrieben und auf vielen Bauernhöfen sowie in Haushalten von Marl wurden zwischen 1939 und 1945 Ausländer zur Zwangsarbeit verpflichtet.
Im Zweiten Weltkrieg waren insbesondere die an die Stadt angrenzenden "Buna-Werke" (Chemische Werke Hüls) Ziel mehrerer alliierter Luftangriffe. Trotz der Nähe zu diesen kriegswichtigen Werken hielten sich die Schäden an zivilen Gebäuden in der Stadt in Grenzen.
Am 31. März 1945 (Ostern)besetzten US-amerikanische Truppen Marl.
(Siehe auch: "NS und Stadtwerdung" sowie "Zwangsarbeit")
Das alte Amtshaus (bis 1922- das heutige Alte Amtshaus an der Vikariestraße entstand 1922)
Die Amtsverwaltung kurz nach 1945, Barkhausstraße (unten).