Jehova: Das Schicksal der Marler "Bibelforscher":

(Autor: Hans Gerbig)

 

August Wysa, Ehefrau Olga und Tochter Irmgard (jetzt Kilian)

 

August Wysa war von Beruf Hauer, geboren am 8.November 1899 in Gelsenkirchen-Bismarck, wohnte in Marl-Brassert auf der Mittelstraße 3a mit seiner Familie. Tochter Irmgard wurde am 8. Januar 1931 geboren.

August Wysa hatte sich 1930 der IBV (Internationale Bibelforscher Vereinigung) angeschlossen, wurde aber erst im Sommer 1936 getauft.

 

Schon im Juli 1935 wurde August Wysa wegen seiner Tätigkeit als Bibelforscher von

seiner Arbeitsstelle entlassen. Bis zu seiner Festnahme übte er die Aufgabe

eines Gruppenleiters aus, d.h. er organisierte Bibelstunden und führte sie

durch. Am 18,Dezember 1935 wurde er verhaftet.

 

Seine Tochter Irmgard, damals 5 Jahre alt, erinnert sich:

„Die Gestapo durchsuchte die Wohnung. Eine Schublade der Wäschetruhe klemmte. Darin

war Literatur verborgen. Ich saß weinend am Ofen. ‘Jetzt nehmen sie meinen Vati

mit.’“

Bis zum 30. Dezember 1936 blieb August Wysa in Schutzhaft. Anschließend, bis zur Verhandlung im Juli 1937, wartete er in Untersuchungshaft im Gerichtsgefängnis Recklinghausen.

 

Am 29. Juli wurde er in Dorsten zu 1 Jahr und 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Er verblieb in Dorsten bis zum 19. August 1937 und wurde dann nach Bochum verlegt. Dort besuchte ihn seine Frau alle 6 Wochen. Johanna Kywaczinski, eine Glaubensschwester aus Brassert, blieb bei der Tochter Irmgard und ihrem einjährigen Bruder. Zur Beerdigung seiner Mutter

bekam August Wysa einen Tag Hafturlaub. Am 28. November 1937 wurde er nach Wuppertal-Elberfeld verlegt, wo er bis zum 21. September 1938 blieb. Er weigerte sich weiterhin, seinen Glauben zu verleugnen.

Er wurde ins KZ Buchenwald gebracht. Der erste Brief aus Buchenwald ist vom 04.11.1938 Häftlingsnummer 1967 Block 11 datiert, ein zweiter Brief ohne Datum, aber vom Inhalt anschließend, weist ihn dem Block 44 zu, wie auch alle weiteren Briefe in monatlichem Abstand bis zum 16.02.1941. Es folgt eine Karte mit dem Hinweis auf Verlegung jedoch ohne Datum.

Der erste Brief aus dem KZ Sachsenhausen-Oranienburg, Häftlingsnummer 36 956 Block W ist datiert vom 23.03.1941. Weitere Briefe folgen in monatlichem Abstand bis zum 17.08.1941.

Am 14.09.1941 schreibt er einen Brief aus dem KZ Wewelsburg; er hat den Brief seiner Frau Olga vom 12.08.1941 erhalten. Er wird geführt als Häftlingsnummer 278 in Block 4.

 Ab dem 19.04.1942 erfolgen Briefe mit dem Briefkopf vom KZ Niederhagen.

Ein Brief vom 17.05.1942 mit der Häftlingsnummer 278 ordnet seinen Aufenthalt dem Block 3 zu.

Die Familie muss am 15.02.1943 von der Mittelstraße ausziehen und bezieht eine Wohnung am Margaretenplatz 1b unter dem Dach.

Der letzte Brief aus dem KZ Niederhagen datiert vom 07.03.1943. Der nächste Brief stammt aus dem KZ Ravensbrück und datiert im Mai, vermutlich 1943. Er wird mit der Häftlingsnummer 3690 geführt und zuerst dem Block 2 dann dem Block 1 zugeordnet.

 

Der letzte Brief aus Ravensbrück datiert vom September 1944. Am 30.09.1944 kommt

August Wysa in einem Transport von 203 Männern aus dem Männerlager Ravensbrück

in Bergen-Belsen an. Im November 1944 erhält Olga Wysa einen Brief aus dem KZ Bergen-Belsen. August Wysa wird unter der Häftlingsnummer 3778 in Block 1 geführt.

Ein zweiter und letzter Brief ist nicht datiert, enthält den Hinweis, dass Geld und Pakete

zugelassen sind; die Schrift ist deutlich größer.

 

Olga Wysa wurde ebenfalls verhaftet. Ein Nachbar, der sich für die Bibel interessierte, hatte schon früher von August Wysa Schriften erhalten und wurde beim Verteilen dieser Schriften verhaftet. Er behauptete, diese Schriften von Olga erhalten zu haben. Um ihren Mann nicht

noch weiter zu belasten, nahm sie die Verantwortung auf sich. Sie behauptete aber, ihm die Schriften nicht zum Lesen sondern zur Vernichtung gegeben zu haben. Sie blieb drei Tage in Haft. 

 

Im November 1944 schrieb August Wysa aus dem Lager Bergen-Belsen. Am 15. April 1945 wurde das Lager Bergen-Belsen von den Engländern befreit.

Olga Wysa erhielt 1945 keine Erlaubnis, dorthin zu reisen.

 

Am 9.5.1945 wurde August Wysa für tot erklärt. Er ist nicht nach Hause zurückgekommen.

 

 (Hans Gerbig)


 

Auguste Mielke

geborene Knorr, Witwe des Rudolf Mielke, wohnte im Beisen 57d. Sie wurde am 31. Dezember

1890 in Wenskau, Kreis Behrend (heute Polen) geboren.

 

Sie gehört seit 1931 zur IBV (Internationale Bibelforscher Vereinigung), wird aber

erst im Sommer 1936 getauft. Am 24. Dezember 1936 um 9.30 Uhr wird sie

festgenommen. Ihr 16jähriger Sohn Kurt kommt zu Verwandten nach Dortmund. Er

wird später Soldat und fällt im Krieg.

 

Nach Beendigung ihrer Schutzhaft am 30. Dezember 1936 kommt sie in Untersuchungshaft ins Gerichtsgefängnis Recklinghausen.

Am 6. Juli 1937 wird die Anklageschrift für die Gerichtsverhandlung des Sondergerichts Dortmund geschrieben. Am 29.7.1937 wird sie in Dorsten zu 10 Monaten Haft verurteilt. Die Untersuchungshaft wird angerechnet.

 

Frieda Lantow, geborene Klawuhn berichtet:

„Nach der Entlassung aus dem Gefängnis nimmt Auguste Mielke sofort mit den Zeugen Jehovas am Ort Kontakt auf. Einen Tag später wird sie von der Gestapo abgeholt und ins KZ gebracht – vermutlich Moringen. Am 21.2. 1938 wird sie ins KZ Lichtenburg überstellt – siehe Liste und die Historiker Langhammer und Seybold. Sie ist im Dezember 1942 in einem KZ gestorben. Die Urne mit der Asche wird Johanna Kiwaczinski, einer Zeugin Jehovas aus Marl-Brassert, überstellt.“

 

(Hans Gerbig)